Auf Facebook besitzen
wir je über 700 Freunde, davon 373 gemeinsame. Während unseres Abenteuers der
letzten zwei Jahre kamen einige hinzu: Artisten des Zirkus Monti, ein
Barbesitzer in China, ein Englischlehrer in Hongkong, Reisende aus aller Welt
in Thailand, Kolumbianer, die uns Spanisch lehrten und die indigenen Kinder aus
dem Amazonas. Doch was ist daraus geworden? Es sind bittersüsse Erinnerungen,
die sich in unseren Herzen eingenistet haben und immer mal aufflammen, um uns
ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern oder eine Träne zu entlocken. Was mit den
echten Menschen hinter den Erinnerungen in der Zwischenzeit geschehen ist,
wissen wir nicht. Gehen die ecuadorianischen Kinder noch immer zur Schule?
Turnen die Artisten in einer neuen Ecke der Welt? Wir wissen es nicht, wir
können das nicht alles mitverfolgen und zum Teil wollen wir es auch nicht
wissen. Es sind zu viele, zu viele in aller Welt, Facebook ist zu gross. Zu
viele Freunde helfen nicht aus der Zweisamkeit. Zum Glück gibt es noch die
richtigen Freunde, jene langen Freundschaften, die man über Jahre hinweg
aufgebaut und gepflegt hat. Jene Menschen für deren Leben man sich wirklich
interessiert und zu interessieren vermag. Doch was bedeutet es, so lange weg zu
sein für solche Freundschaften? Wenn Freundschaft gegenseitige Zuneigung
zwischen Menschen bedeutet, wie kann man diese zeigen und sie im Gegenzug
spüren, wenn man Kilometer und Welten entfernt liegt? Die einen lernen
Spanisch, die anderen bauen ein Haus. Einige kriegen Kinder, einige neue
Stempel im Pass. Die Familie feiert Weihnacht und wir feiern bis in die frühen
Morgenstunden. Auf Facebook kann man alles liken, auf Instagram alles followen
und per Whatsapp alles mit Emojis kommentieren. Aber reicht das? Es hilft, es
überbrückt eine Zeit der physischen Abwesenheit, aber es ersetzt nicht das
gemeinsame Lachen, die gelegentliche Berührung, in die Arme geschlossen zu
werden, die glücklichen Zufallsbegegnungen.
Nach einem Jahr in
Lateinamerika, einer uns mittlerweile vertrauten und doch fremden Kultur,
reisen wir nun mit alten Freunden weiter. Es fühlt sich an, als würden wir
heimkehren in ein Zuhause fernab der Heimat. Man fällt sich vor Freude in die
Arme und fühlt sich sofort geborgen. Ohne alles zu erzählen, wird man
verstanden. Die freundschaftliche Zuneigung kommt ohne Worte aus, der warme
Blick oder die gelegentlich Berührung reichen. Die Gespräche gehen schnell
tiefer als das alltägliche Geplätscher von Worten. Auf einmal gilt es wieder
zwischenmenschliche Spannungen auszuhalten, denn die Menschen bedeuten uns
etwas. Wir werden nicht in ein paar Tagen oder Monaten schon weiterziehen und
alles Geschehene mündet in Belanglosem. Die monotone Diplomierung der Cousine in
Kanada bedeutet mehr als ein aufregender Abend in einem Elektroschuppen. Ein
Geburtstagsfest mit Arbeitskollegen ist weniger aufregend als ein
Abendspaziergang mit einem guten Freund. Es sind weitere Kapitel unserer
Freundschaft, die wir gemeinsam schreiben. Auf Facebook regt sich dabei nichts,
keine neuen Insta-Followers und der Whatsapp-Chat blinkt nicht auf, dafür
kommen wir uns analog näher. Diese Begegnungen erhalten ein besonderes Gewicht
und gehen tief, weil man zusammen lebt und nicht bloss einen Kaffee oder ein
Glas Wein trinkt. Man sieht nicht nur die schönen und glücklichen Seiten, man
überbrückt auch die schlechten, zähen Momente. Der Abschied fällt nicht schwer,
denn man ist sich seiner Nähe sicher – wir werden uns wieder-sehen.
Wir hoffen auf solche
Wiedersehen mit Freunden, erneute Begegnungen, die fast nahtlos weitergehen,
direkt in die Tiefe abtauchen. Dies wird nicht immer klappen, manche
Freundschaft wird an der grossen geografischen und mentalen Entfernung
zerbrechen oder sich verlieren. Solche alten Freunde werden zu bittersüssen
Erinnerungen im Herzen, genau wie jene der flüchtigen Weggefährten. Diese
nostalgischen Erinnerungen loszulassen, ohne sie abzuwerten, schaffen
Möglichkeiten für neue Freundschaften mit alten und neuen Freunden fernab und
nah der Heimat.
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