Medellín te amamos

Vor genau drei Wochen haben wir das erste Mal in unserem Leben, den Fuss auf den südamerikanischen Kontinent gesetzt. Morgens um 4:00 Uhr landen wir in Bogotá, um im Halbschlaf per Taxi unser Hotel aufzusuchen. Beim Einchecken um 5:00 Uhr morgens, merken wir schon zum ersten Mal, dass es sich gelohnt hat, für knapp sechs Monate jeden Tag eine Stunde Spanisch in unserem Spanischbuch zu büffeln. Denn Englisch spricht hier niemand. Nach drei Stunden Schlaf torkeln wir die Treppen runter, um auf Spanisch die Frühstückseier zu bestellen und mit Händen und Füssen herausfinden, dass man SIM-Karten direkt gegenüber dem Hotel kaufen kann. Eine halbe Stunde später sind wir im Besitz zweier SIM-Karten und mächtig stolz auf uns. In Bogotá bleiben wir nur zwei Nächte, da wir möglichst schnell nach Medellín gelangen müssen, um in unsere Airbnbs einzuchecken und mit den Spanischlektionen zu beginnen.

Hier sind wir nun seit 18 Tagen, in Medellín der zweitgrössten Stadt Kolumbiens, welche uns mächtig imponiert. Verschiedenste Dinge assoziiert wohl jeder von uns mit dieser Stadt. Sei dies der mehrjährige Bürgerkrieg welcher hier gewütet hat, das Medellín-Kartell um Pablo Escobar oder aber die Fussballnationalmannschaft an der diesjährigen WM. Was wir bisher angetroffen haben sind schöne Pärke, unglaublich nette, lebensfrohe Menschen, leckeres Essen und eine saubere Stadt. Ach ja und die wohl bestriechendsten Menschen weltweit. Egal ob man dem Mann mit dem Mülleimer in der Hand nachläuft, in einem Restaurant oder einem vollgestopften Bus sitz, überall riechen die Menschen wie frisch geduscht. Dies hat anscheinend mit dem Schönheitsideal Kolumbiens zu tun, welches sich in unzähligen Schönheitsoperationen niederschlägt (weltweit auf Rang sieben) und der damit einhergehenden Körperhygiene. Wir haben mittlerweile jedenfalls immer unser Deo und ein Parfum dabei, nur um sicherzugehen, dass wir nicht die stinkenden Gringos sind.
Wir leben in zwei verschiedenen Airbnbs damit wir nach unseren Spanischlektionen, welche täglich im Privatunterrichtsetting von 9:00-13:00 Uhr stattfinden, getrennte Wege gehen können, um unsere Hausaufgaben in Einzelarbeit zu erledigen und nicht versucht sind, Schweizerdeutsch zu sprechen. Janina lebt mit Patricia und ihrem Sohn Manuel zusammen und Benj hat sich bei Ana, ihrem Freund Jesse und einem weiteren Airbnb Gast eingemietet. Beide Airbnbs sind hervorragend und wir fühlen uns rundum wohl. Janina spricht zu Hause viel Spanisch, Benj leider nicht. Der Grund ist relativ simpel. Ana und Jesse sprechen perfektes Englisch, haben sich aber die Mühe gemacht, mit Benj Spanisch zu sprechen. Nun sind sie jedoch für drei Wochen in den Ferien und der neue, kolumbianische Airbnb-Gast, spricht überhaupt nicht. Also er ist nicht stumm, er spricht einfach nicht. Der andere vor zwei Tagen abgereiste Gast, war Schweizer. Er kam aus dem Berner Oberland. Er hiess Benjamin! Und sein Bruder hat an der Hochzeit von Dani, Benjs Bruder, Schlagzeug gespielt. Benjs Namensvetter spricht jedoch hervorragend Spanisch, aber eben, der ist nun nicht mehr da. Deshalb haben wir uns entschieden, dass Benj für die nächsten zwei Wochen in Janinas und Janina in Benjs Airbnb zügelt. Danach machen wir uns auf, weitere Teile Kolumbiens zu entdecken.   
Wir lernen unglaublich viel über die blutige und brutale Geschichte dieses Landes und sind uns bewusst, dass wir in einem Stadtteil wohnen, wo ein eher reiches Kolumbien anzutreffen ist. In andere Stadteile, wie zum Beispiel der «Comuna 13», werden wir uns bei Nacht nicht begeben, sagt man doch, dass man dort nicht lebend herauskommen würde. Noch in den 90’ Jahren kamen in Medellín bis zu 6'500 Menschen gewaltsam zu Tode, knapp 18 Menschen pro Tag, was der Stadt den traurigen Titel der gefährlichsten Stadt der Welt einbrachte. Vieles hat sich seither zum Besseren gewendet, aber der Frieden ist sehr fragil und hängt an einem seidenen Faden. Vor drei Wochen fanden die Präsidentschaftswahlen statt und man konnte zwischen einem rechtskonservativen und einem ehemaligen Guerillakämpfer der M-19 wählen. In der Stichwahl hat sich der rechtskonservative Ivan Duque durchgesetzt, welcher ein vehementer Gegner des Friedensvertrags mit den Farc-Rebellen ist. Kündet er diesen Vertrag, mag man sich die Auswirkungen davon gar nicht vorstellen. Den schon kurz nach der Wahl wurden in ländlichen Gebieten mehrere Oppositionspolitiker erschossen, offiziell weiss man jedoch nicht wer die Attentäter waren.
Wir jedenfalls wünschen den Menschen hier nur das Beste, Frieden und weiterhin einen sozialen und ökonomischen Aufschwung. Gespannt schauen wir zu und lernen.

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